Ein Reisebericht von Thomas Baum

Namasté liebe Freunde, Patienten, Unterstützer und alle weiteren Interessierten! 

 

Nachdem wir nun aus Nepal von unserer Reise zurückgekehrt sind, möchte ich hier die Gelegenheit nutzen, allen Interessierten kurz von den Geschehnissen unseres insgesamt dritten Hilfseinsatzes nach 2007 (Kenia) und 2008 (Nepal) zu berichten. 

Organisiert wurde unser Einsatz zu weiten Teilen wiederum von der Stiftung „Zahnärzte Ohne Grenzen – Dentists Without Limits“ (www.dentists-without-limits.de), stand diesmal aber auch unter der Schirmherrschaft vom Nepal-Schulprojekt „Zukunft für Kinder“ (www.nepal-schulprojekt.info), welches von Frau Astrid Vöhringer mit großem Einsatz geführt wird und in Nepal einige großartige Projekte unterstützt. Neben meinem Freund und Kollegen Dr. Marco Mathys aus Leipzig begleitete uns diesmal ein von Fernweh getriebener Freund, Christoph Schuster, der als Elektriker eigentlich keinen zahnmedizinischen Bezug hat. Dennoch war er uns als Assistenz besonders im zweiten Teil unserer Reise eine große Hilfe. 

Nachdem uns die isländische Aschewolke um sagenhafte zwei Stunden verpasst hatte sind wir am 15.4. von Frankfurt aus aufgebrochen, passierten unbeschadet das sich gerade wieder beruhigende Bangkok und konnten nach fast 24 Stunden Reise endlich im SKM-Hospital (www.nepalhospital.de) unser Lager für sechs Tage aufschlagen. 

Die zahnärztliche Station im von Interplast Germany e.V. (www.interplast-germany.de) geführten SKM-Hospital ist derart gut von Dr. Sybille Keller (Nepal-Sektion von ‚Zahnärzte Ohne Grenzen‘) organisiert, dass sie tatsächlich trotz hohen Aufwands fast permanent mit deutschen Zahnärzten besetzt ist. Allerdings bescherte uns diese Tatsache natürlich nicht gerade eine Patientenflut - pro Tag ca. 10-15 Patienten zu zweit waren dann doch nicht so stressig... Dafür konnten wir uns mit einigen Sehenswürdigkeiten Katmandus auseinandersetzen - auch nicht schlecht! 

 

Am 21.4. brachen wir dann zum aufregenderen Teil unserer Reise auf. Zunächst flogen wir in den Süden nach Nepalgunj mit einer, wie wir in dem Moment schon dachten, nach deutschen Maßstäben abenteuerlichen Propeller-Maschine (voll ausgelastet - 29 Passagiere und 1 Stewardess). Nach einer vierstündigen Autofahrt, vorbei an unzähligen Waldbränden (die werden in Nepal irgendwie nicht wirklich ernst genommen!?!), übernachteten wir bei gefühlten 45°C.

 

Am nächsten Morgen ging es dann mit einem WIRKLICH kleinen, klappernden Flugzeug weiter nach Simikot, unserem ersten Ziel und dem Start unseres Trecks in Humla. Simikot ist eine autofreie Stadt, weniger aus ökologischem Hintergrund als aus praktischen Gründen – der „Flughafen“ besteht lediglich aus einer Schotter-Piste, die maximal für solche Mini-Maschinen geeignet ist! Ein Auto in diese Region zu bringen wäre nicht nur ein gigantischer Aufwand, sondern schlicht Unsinn, so ganz ohne Straßen… Dennoch ist sie als Hauptstadt Humlas nach einheimischer Betrachtung fast eine Großstadt - mit sagenhaften 10.000 Einwohnern. Der District Humla liegt im Nordwesten des Landes, grenzt direkt an Tibet und gilt als die ärmste Region Nepals. Hierher verirren sich normalerweise kaum Touristen und wenn, dann passieren sie Humla lediglich auf dem Wege nach Tibet, wo sich mit dem Mt. Kailash der heilige Berg der Buddhisten anschließt und der Weg nach Lhasa nicht mehr so aufwendig ist. 

In Simikot (auf ca. 3000m) also tatsächlich heil angekommen, fühlte es sich im ersten Moment an, als schnüre uns jemand den Hals zu - Höhenluft ist für uns Flachlandtiroler doch belastender als gedacht! Das eigentliche Abenteuer sollte aber erst beginnen: die Wanderung entlang des alten Pilgerpfades der buddhistischen Mönche in Richtung Tibet nach Yalwang, dem Ort, wo sich unser Ziel, das Kinderheim des Nepal-Schulprojektes, befindet. 

Vom 3000m auf 3000m nur mit Handgepäck bewaffnet zu laufen klingt soweit nicht schlimm - allerdings ging es täglich nicht, wie von uns ein wenig naiv angenommen, geradeaus, sondern mehrfach am Tage steil bergauf (auf bis zu 3400m) und nach einer kurzen „Berg-Besieger-Pose“ fürs Foto wieder runter (auf ca. 2400-2600m)! Unsere Quartiere schlugen wir immer in kleinen, sehr einfachen Bergdörfern auf – das heißt, wir bauten die Zelte dort auf, wo man die Heringe wenigstens halbwegs in den Boden rammen konnte, auf den Dächern der Lehmhütten. Mangels Isomatten war das dann auch nicht gerade Wellness, aber die kalten Nächte auf dem harten Zeltboden waren da immer noch angenehmer als die ‚Wander-Tage‘ in der z.T. brütenden Mittags-Höhensonne... ;-) 

Unsere 150kg Spenden, also die gesammelten Zahnbürsten, Zahnpasta-Tuben, Kuscheltiere, Fußbälle, Stifte, Blöcke, das Behandlungsmaterial (Spiegel, Sonden, Pinzetten, Spatel, Zangen, Hebel, Spritzen, Antibiotika, Füllungsmaterial,...) und natürlich der Sterilisator wurden mit Hilfe von 4 Eseln, 3 Maultieren und 2 Trägern bis zum Bestimmungsort transportiert. Während wir uns also mehr schlecht als recht lediglich mit Handgepäck über die Berge quälten, liefen beispielweise die Träger mit vollbepackten, sehr großen Körben auf den Rücken geschnallt locker und z.T. rauchend hinter uns her! Schon ein bisschen deprimierend... 

Das Kinderheim in Yalwang beherbergt 110 Kinder im Alter von 4-14 Jahren. Die Kinder sind entweder Waisen oder Halbwaisen aus der Umgebung, stammen aber zu großen Teilen auch aus Tibet, wo die Familien ihre Kinder aus Angst vor den chinesischen kommunistischen Umerziehungslagern, in die tibetische Kinder zunehmend verschleppt werden, lieber nach Nepal bringen. Zumindest in diesem Heim finden sie nicht nur eine für Humla-Verhältnisse großartige Unterkunft, sondern auch dank der tollen Organisation eine gute Schulbildung und damit eine vergleichsweise gute Perspektive. 

An das Kinderheim schließt sich bergauf direkt eine Schule auch für die Dorfkinder an, die bis zu zwei Stunden täglich laufen müssen, um in die Schule zu gelangen. Außerdem liegt weiter bergaufwärts auch noch ein großes buddhistisches Mönchskloster, in dem ca. 160 Mönche und Mönchsschüler leben. 

Unsere dreitägige Behandlungszeit bescherte ca. 400 Kindern, Lehrern, Mönchen und Dorfbewohnern, die z.T. stundenlang mit Säugling und Oma über die Berge gelaufen kamen, die zumeist erste zahnärztliche Behandlung in ihrem Leben. Bisher gab es in und um Yalwang lediglich einen Mönch, der Kranke hauptsächlich mit Akupunktur und Naturheilverfahren behandelte und auch mit einfachsten Mitteln teilweise Zähne entfernte. Dasselbe gilt für einen medizinisch wohl ungelernten Dorfbewohner, der den von der Regierung spartanisch eingerichteten Health Post, also eine Art Schwesternstation, besetzt. Eine Krankenschwester oder gar einen Arzt konnte bislang niemand hierher locken. Diese beiden waren natürlich besonders dankbar über die Zangen, Hebel und die von uns nicht benötigten Anästhetika und Antibiotika! 

Behandelt wurden die 144 Patienten, bei denen eine Behandlung nötig war, auf kleinen Camping-Klappstühlen mit Kopflampen. Unter diesen Patienten waren auch noch viele, die lediglich eine Zahnstein-Entfernung benötigten. Bei akuten oder chronischen Problemen musste natürlich kompromisslos eine sichere Lösung gefunden werden. So wurden bei kleinen Löchern sehr einfache Zement-Füllungen gelegt (immerhin 59), bei allen etwas größeren Problemen kam aber natürlich die Zange zum Einsatz, insgesamt 43 Mal! 

Damit nicht „nur“ die Zahnärzte ihre Duftmarke im Himalaya hinterlassen, beschloss Christoph, der nicht nur kreativ, sondern auch handwerklich sehr geschickt ist, für die Kinder ein Spielgerät zu bauen. Der hiesige Englisch-Lehrer, unser Dolmetscher und gleichzeitig stellvertretender Leiter des Heims, erklärte uns, es gäbe für was auch immer außer einigem Werkzeug nur Holz und Manpower. Metall-Gegenstände oder Seile seien hier fast nie verfügbar und stünden somit auch leider nicht zur Verfügung. Als verwöhnter Baumarkt-Fan erst mal ein Dämpfer… ;-) Was baut man also lediglich aus Holz? Unsere abendliche Kreativ-Sitzung ergab gemeinsam mit dem gewöhnungsbedürftigen, selbstgebrauten Chang (milchiger, relativ starker Reis-Wein) eine Wippe, und zwar lediglich aus mit Zimmermannsverbindungen verbundenen Balken und Stämmen. Zum Glück sind die Einheimischen in der Holzbearbeitung nicht nur sehr geübt, sondern auch erstaunlich schnell und geschickt, weshalb sich bereits nach zweieinhalb Tagen die Kinder an ihrem neuen Spielzeug voller Begeisterung erfreuen konnten. So ungläubig die Beteiligten zunächst schauten, kannten sie offenbar keine Wippe – was uns zu der vielleicht etwas hochgestapelten Inschrift „1st Himalayan Teeterboard“ hinreißen ließ… 

Nach den Behandlungstagen waren wir dann wieder halbwegs ausgeruht und wagten uns an den Rückmarsch - und siehe da, es war zwar immer noch kein lockerer Spaß, aber deutlich leichter als auf dem Hinweg! Die Akklimatisation hat also Spuren hinterlassen, wir wissen jetzt, was Höhentraining ist! ;-) 

Nach zwei wiederum abenteuerlichen Flügen kamen wir also guten Mutes am 1. Mai wieder in Katmandu an und durften feststellen, welche Macht die Maoisten trotz Austritt aus der Regierung im letzten Jahr im Lande haben – Großdemos und Generalstreik waren angesagt, die die Regierung zum Rücktritt zwingen sollten! Glücklicherweise waren wir schon zur Mittagszeit angekommen, als die Welle der wütenden Demonstrierenden sich erst langsam sammelte und organisierte, so dass wir gerade noch mit einem Taxi in das SKM-Hospital kommen konnten. Ein paar Stunden später ging dann in ganz Katmandu nichts mehr – jeder, der ein Taxi, Moped oder gar einen Bus bewegte lief Gefahr, vom Mob unsanft zum Gehen überredet zu werden und sein Gefährt in Flammen zu verlieren! Dann wären wir wohl gezwungen gewesen, mit unserem vollen Gepäck (ca. 30kg) quer durch Katmandu zu laufen – für diese läppischen ca. 25km bei staubiger 30°C-Luft und ohne Träger und Esel hätte unser Höhentraining dann wohl doch nicht gereicht! Also einmal mehr Schw… gehabt! Oder war es gutes Karma? Wer weiß… 

Die letzten Tage verliefen dann fast buchstäblich ereignislos, da durch den Streik auch keine Patienten in das Hospital gelangen konnten. So beendeten wir die Reise am 6.Mai wieder recht gut erholt und passierten auch das sich nach und nach entflammende Bangkok unbeschadet! 

Rückblickend können wir wohl alle drei sagen, dass wir eine unbeschreiblich schöne Zeit hatten! Einmal mehr waren und sind wir nicht nur beeindruckt, sondern sogar begeistert, welche großartigen Projekte diese deutschen Hilfsorganisationen in diesem fernen Land organisieren und wie damit den Menschen nicht nur momentan geholfen wird, sondern wie mit dieser Hilfe vielen Nepali eine bessere Zukunft mit Perspektive bevorsteht. Es ist schön zu sehen, wie die Spenden auch wirklich bei den Menschen ankommen! So erfüllt es uns mit Stolz, ein Teil dieser Projekte geworden zu sein und wir wollen auch weiterhin unser Mögliches tun, diese weiter zu unterstützen. 

Teilweise war es durchaus stressig, uns bleibt aber nicht nur durch die gigantisch schönen Landschaften, sondern besonders durch den ehrlichen Dank der äußerst angenehmen, zurückhaltenden aber dennoch herzlichen Menschen alles durchweg sehr positiv in Erinnerung. 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine schöne Zeit und wenn Sie eines der Projekte auf welche Art auch immer unterstützen möchten, ist Ihnen nicht nur mein Dank, sondern der Dank sehr vieler Menschen gewiss! 

Herzlichst, 

Thomas Baum